22.09.2022 – WOHNEN SCHWEIZ: Sie sind Unternehmer, Immobilien-Treuhänder und Sie engagieren sich im gemeinnützigen Wohnungsbau. Passt das? Thomas Peter: Sogar sehr gut, das ist überhaupt kein Widerspruch.
Was fasziniert Sie am gemeinnützigen Wohnungsbau? Der Kerngedanke «Hilfe zur Selbsthilfe». Ich spüre diesen bei kleinen, ländlichen wie auch bei grossen, urbanen Genossenschaften. Mir gefällt auch, dass Identität, Struktur und Organisation vielfältig sind. Doch bei allen Unterschieden geht es immer um den gleichen Kerngedanken.
Wie definieren Sie diesen? Preisgünstige Wohnungen erstellen und vermieten. Das ist aber nur möglich, wenn man im Kleinen auf die Kosten schaut. Preisgünstiger Wohnraum fängt auch bei der Optimierung der Bewirtschaftungskosten an.
Damit sind wir beim Thema Organisation von Baugenossenschaften. Schauen Sie als Immobilienexperte mitleidig auf die neben- und ehrenamtliche Arbeit in den Genossenschaften? Nein, wenn ich an unsere Genossenschafts-Mandate bei Arlewo AG oder meine zehn Jahre im Vorstand der SBL Wohnbaugenossenschaft Luzern denke, stelle ich fest, dass die Genossenschaften strukturell und organisatorisch gut aufgestellt sind. Und Genossenschaften haben einen ganz grossen Trumpf in der Hand.
Da sind wir gespannt. Die Stärke der Baugenossenschaft ist ihre Verankerung vor Ort. Die Leute, die eine Genossenschaft führen, kennen ihr Marktgebiet oft wie die eigene Hosentasche und können den Bedarf bestens abschätzen.
Gibt es zu viele kleine Genossenschaften? Das ist relativ. Ich orientiere mich an der Anzahl Wohnungen pro Gemeinde. Es ist ein Unterschied, ob die Gemeinde 550, 5500 oder 55 000 Haushaltungen hat. Eine grosse Genossenschaft in Luzern ist eine kleine in Zürich. In Romoos mit 254 Haushaltungen ist die Genossenschaft mit 12 Einheiten beachtlich.
Ist es verantwortbar, eine Baugenossenschaft am Feierabend zu führen? Warum nicht, wenn das Fachwissen und ein kundengerechter Betrieb gewährleistet sind? Das Mietrecht zum Beispiel ist heute kompliziert und voller Fallstricke, das Inkasso- und Abrechnungswesen aufwändig, die Bewirtschaftung erfordert Fingerspitzengefühl, Informatik mit hohen Digitalisierungsanforderungen ist teuer. Ohne Professionalität geht es nicht mehr, aber die können durchaus auch Milizorganisationen haben.
Was meinen Sie mit kundengerecht? Die Stellvertretung ist in vielen nebenamtlichen oder semiprofessionellen Genossenschaften ein echtes Problem. Ist die zuständige Person mit ihrem Fachwissen in den Ferien oder fällt sie aus, dann ist die Genossenschaft blockiert.
Sind die Baugenossenschaften genügend professionell organisiert? Bildlich gesprochen ist es so, dass der Präsident nicht mehr selbst Wohnungsabnahmen machen sollte. Generell aber haben Baugenossenschaften in der Organisation grosse Professionalisierungsschritte gemacht. Selbst kleine Genossenschaften haben in der Regel Rechnungsführung und Abschluss ausgelagert. Aber es gibt Bereiche mit Luft nach oben.
Die da wären? Erstens in der strategischen Arbeit. Zuallererst kommt für einen Vorstand die strategische Arbeit. Wo stehen wir? Wohin wollen wir? Wie erreichen wir unsere Ziele? Das ist Knochenarbeit eines Vorstandes, egal ob die Genossenschaft klein oder gross ist. Erst dann kann man an der Sitzung im Traktandum «Verschiedenes» über die Altpapiersammlung reden.
Und das Zweite? Die Digitalisierung. Da haben die Genossenschaften Aufholbedarf.
Läuten bei Ihnen als Unternehmer bei gewissen Zahlen die Alarmglocken? Wenn eine Baugenossenschaft 30 Millionen Franken Mietzinseinnahmen hat und der Verwaltungsaufwand drei Millionen ausmacht, dann müssten die Alarmglocken läuten. In der Privatwirtschaft liegen bei 30 Millionen Zinseinnahmen die Verwaltungskosten bei rund 1,2 Millionen. Und dies bei qualitativ mindestens gleichwertiger Arbeit. Allerdings muss auch wieder genau angeschaut werden, was alles zum Leistungsprofil des Verwaltungsaufwands gehört.
Ein Genossenschaftspräsident sagte öffentlich, unter 500 Wohnungen brauche es keine Geschäftsstelle. Es gibt keine Patentrezepte. Die konkrete Situation muss beurteilt werden. In der Immobilienbranche zum Beispiel kann eine Person 400 bis 500 Wohnungen alleine bewirtschaften, sofern die Stellvertretung geregelt ist. Das wiederum bedingt eine gewisse Grösse. Wenn eine Genossenschaft mit 500 Wohnungen mehrere Personen auf der Geschäftsstelle angestellt hat, kommt es darauf an, was zum Leistungsprofil gehört. Etwa, wie stark vom Team inhouse Bau- und Unterhaltsarbeiten betreut werden.
Faktisch gibt es viele Genossenschaften dieser Grösse mit einer ausgebauten Geschäftsstelle. Das weiss ich. Dabei spielt der Anspruch an die eigene Arbeit eine sehr grosse Rolle. Somit sind wir wieder bei der eingangs erwähnten Identität. Die Baugenossenschaften wollen näher bei den Mieterinnen und Mietern sein, individueller und persönlicher arbeiten und legen grossen Wert auf Wohnraum als Lebensraum, Gemeinschaftsgefühl inklusive. Dieser Anspruch ruft nach Ressourcen.
Was sagen Sie zum Modell mit dem Architekten, dem Banker und Treuhänder aus dem Dorf? Da muss man differenzieren. Positiv ist, dass genau diese Leute ihr Marktgebiet kennen und von ihrem beruflichen Hintergrund Professionalität einbringen. Auch bei Arlewo haben wir Mitarbeitende, die privat in einer Genossenschaft tätig sind und ihr Immobilienwissen einbringen. Wieso nicht? Ich empfehle solchen Genossenschaften aber eine saubere Corporate Governance. Es muss geklärt sein, was jemand als Mitglied des Führungsgremiums leistet und wo er im Auftrag professionelle Arbeiten ausführt. Das muss schriftlich abgegrenzt sein, inklusive Entschädigung.
Ein anderes Modell ist eine Geschäftsstelle für mehrere Baugenossenschaften. Das ist durchaus ein Weg. Ich möchte einfach Mut machen, die Stärken richtig einzusetzen. Also ein Vorstand als Führungsorgan soll mit lokal verankerten Persönlichkeiten bestückt sein. Für die operativen Abläufe muss man sich Automatisierung und Digitalisierung viel stärker als heute zunutze machen. Es spielt keine Rolle, ob ein Mietvertrag oder eine Nebenkostenrechnung in A-Dorf, B-Dorf oder C-Dorf erstellt wird. Entscheidend sind die fachliche Qualität und der Mieterservice. Und nicht, ob sich jede kleine Genossenschaft eigene IT-Werkzeuge anschafft und personelle Risiken eingeht.